Materialien für Die InduStrielle CO2–Verwertung: vom ElektRokatalYsator zur nachhaltigen Elektrode
Die chemische Industrie ist als energieintensive Industrie und aufgrund des hohen Anteils von Produkten fossilen Ursprungs derzeit für ca. 15 % der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich (Scope 1-3).[1],[2] Wichtige Bausteine, um die Industrie auf den Weg in Richtung Klimaneutralität bis 2045 zu bringen, sind daher die Substitution fossiler Rohstoffquellen und die Integration von Strom aus erneuerbaren Quellen in die Produktionsprozesse. Durch die Nutzbarmachung von CO2 aus unvermeidbaren Abgasströmen verschiedener Industrieprozesse (z.B. Zement- oder Stahlproduktion), Bioraffinerien und langfristig auch aus der Luft steht eine alternative Rohstoffquelle zur Verfügung, welche die Rolle eines C1 Bausteins für die Produktion einer Vielzahl an Grund- und Feinchemikalien übernehmen kann.
Die elektrochemische Reduktion von CO2 an der Kathode einer Elektrolysezelle ermöglicht die Produktion von derzeit größtenteils petrochemisch dargestellten Plattformchemikalien wie Kohlenstoffmonoxid (CO), Ethylen, Ethanol oder Propanol aus CO2, Wasser und erneuerbarem Strom. Die Produktion von CO ist hinsichtlich der Technologiereife am weitesten fortgeschritten, weshalb diese Reaktion auch als Einstiegstechnologie für die Kommerzialisierung der CO2-Elektrolyse angesehen wird. Hiervon ausgehend kann durch weitere Entwicklungen auf Katalysator- und Elektrodenebene die Herstellung zusätzlicher Produkte mittel- und langfristig großtechnisch etabliert werden.
Dieser Aspekt soll im Rahmen des hier vorliegenden Vorhabens aufgegriffen und durch zwei parallel ablaufende Entwicklungsstränge mit Fokus auf Elektroden- und Katalysatorentwicklung berücksichtigt werden. Als Startpunkt ist CO besonders attraktiv, da es sich um eine hochpreisige Plattformchemikalie handelt, die für zahlreiche chemische Synthesen als Baustein verwendet wird.
Für die kommerzielle Realisierung des Prozesses reichen die derzeit erreichbaren Kennzahlen der Elektrolyse bei weitem noch nicht aus. In diesem Zusammenhang gehört die poröse Gasdiffusionselektrode (GDE), in welcher der Katalysator integriert ist und in deren Inneren sich die Reaktionszone ausbildet, zu den wichtigsten Elementen der Elektrolysezelle, da sie zusammen mit dem Katalysator die Raum-Zeit-Ausbeute (erreichbare Stromdichten), den spezifischen Energieeintrag (Überspannungen und Selektivität) sowie die Langzeitstabilität bestimmt.
Erschwerend kommt hinzu, dass gleichzeitig aufseiten der Rohstoffversorgung und der Nachhaltigkeit der verwendeten Materialien erheblicher Handlungsbedarf besteht. Das üblicherweise verwendete Bindemittel ist PTFE, dieses zählt zu den per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS) Materialien aus dem veröffentlichten Restriction Dossiers der ECHA, und muss nach dem derzeitigen Stand des Dossiers für die Verwendung in Gasdiffusionselektroden substituiert werden. Dafür gibt es gegenwärtig keinen Ersatz. Das als Katalysator verwendete Edelmetall Silber ist notwendig für wichtige Zukunftstechnologien wie zum Beispiel Photovoltaik (Bedarf aktuell schon etwa 2000 t/Jahr) und Technologien wie Funketiketten (RFID). Für 2030 wird geschätzt, dass der Bedarf durch diese neuen Anwendungen schon bei 83 % der Jahresproduktion von 2006 von 19.000 Tonnen liegen könnte. Die Reichweite der Silbervorräte wird auf nur noch 20 Jahre geschätzt [3]. Um dieser Unsicherheit zu begegnen, muss im Hinblick auf die geplante Kommerzialisierung der CO2-Elektrolyse zeitnah die Entwicklung einer alternativen GDE-Zusammensetzung erforscht werden. So soll im Rahmen des Vorhabens neben der Entwicklung neuartiger, edelmetallfreier Katalysatoren ein umfangreiches Screening alternativer Fluor-freier Bindersysteme und deren Integration in GDEs durchgeführt werden, um Silber und PTFE bei möglichst gleichbleibender Performance zu substituieren. Auf Katalysatorseite sollen hierzu zum einen multinäre Katalysatoren genutzt werden, die zu der neuen Materialklasse der Hochentropielegierungen gehören.
Darüber hinaus werden für die elektrochemische CO2-Reduktion (CO2RR) besonders vielversprechenden M-N-C–Katalysatoren (mit M = Übergangsmetall) hergestellt und getestet, sowohl als Single- als auch als Dual-Atom-Varianten. Sowohl die DAC als auch die multinären Katalysatoren sind hinsichtlich der CO2RR weitestgehend unerforscht, besitzen aber durch ihr Angebot an aktiven Zentren mit unterschiedlicher Adsorptionsenergie und die riesige Bandbreite an Optimierungsmöglichkeiten ein sehr hohes Potential.
Um eine Vielzahl and Katalysatorsystemen testen zu können, wird auf ein KI-basiertes Hochdurchsatzverfahren zum Benchmarking in speziell entwickelten Messaufbauten zurückgegriffen. Begleitend wird die Recyclingfähigkeit bewertet bzw. weiterentwickelt, die Wirtschaftlichkeit analysiert und eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung durchgeführt.
Weiterführende Informationen
- Roadmap Chemie 2050, Studie von DECHEMA und FutureCamp für den VCI. https://www.vci.de/services/publikationen/broschueren-faltblaetter/vci-dechema-futurecamp-studie-roadmap-2050-treibhausgasneutralitaet-chemieindustrie-deutschland-langfassung.jsp
- Umweltbundesamt, Treibhausgasemissionen sinken 2020 um 8,7 Prozent
- Ressourceneffizienz und ressourcenpolitische Aspekte des Systems Elektromobilität (OPTUM Projekt), Studie des Öko-Institut