Biokatalyse: Revolution in der nachhaltigen Chemie
Katalyse ist der Vorgang, bei dem eine chemische Reaktion schneller, energiegünstiger bzw. in eine bevorzugte Richtung abläuft (siehe dazu unter Grundlagen Was ist eigentlich Katalyse?). Eine Besonderheit stellt die Biokatalyse dar. Isolierte Enzyme oder ganze Zellen (in der sog. Ganzzell-Biokatalyse) beschleunigen und steuern dabei chemische Reaktionen.
Enzyme übernehmen in allen Organismen wichtige Aufgaben im Stoffwechsel. Sie bestehen meist aus Proteinen und manchmal einem Kofaktor. Als natürliche Katalysatoren ermöglichen Enzyme viele chemische Reaktionen unter milden Bedingungen, d.h. sie arbeiten bei niedrigen Temperaturen und normalem Druck. Das macht sie besonders attraktiv für industrielle Anwendungen.
Neben isolierten Enzymen setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch ganze Zellen (Ganzzellsysteme) als Biokatalysatoren ein. Enzyme katalysieren nur spezifische einstufige Reaktionen. Bei der Ganzzell-Biokatalyse liegen die Enzyme in ihrer natürlichen Umgebung vor. Mikroorganismen wie Bakterien und Einzeller können in Fermentationsprozessen eingesetzt werden. Forschende optimieren die Mikroorganismen durch verschiedene Maßnahmen, damit die Stoffwechselumsetzungen in den Zellen das gewünschte Zielprodukt mit hoher Selektivität (d.h. ohne unerwünschte Nebenprodukte) ergeben.
Ein großer Vorteil der Biokatalyse liegt in der hohen Präzision. Das führt zu Produkten mit hoher Reinheit, die oft über wenige Reaktionsschritte entstehen. Dadurch vermeidet man unerwünschte Nebenprodukte. Diese müssten sonst aufwändig entfernt und entsorgt werden. Enzyme stammen normalerweise aus biologischen, also wässrigen Umgebungen. Deshalb erfordern viele Prozesse keine umweltschädlichen organischen Lösungsmittel oder andere Chemikalien. Enzyme oder ganze Zellen können z.B. metallorganische Katalysatoren in der Herstellung von Feinchemikalien ersetzen. Wenn Transport-Metabolite oder mehrere Enzyme an den Reaktionen beteiligt sind, stellt die Ganzzell-Biokatalyse eine effektive und umwelt-schonende Methode zur Herstellung dieser Feinchemikalien dar.
Die Biokatalyse hat eine lange Geschichte. Sie kommt traditionell bei der Herstellung von Bier, Wein und Käse zum Einsatz. In jüngerer Zeit nutzt die pharmazeutische Industrie die Biokatalyse für Reaktionen, die ohne Katalysatoren nicht möglich wären. Oder sie ersetzt Verfahren mit höherem Energieaufwand, kritische Reagenzien oder niedrigere Ausbeute.
Früher isolierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Enzyme aus Mikroorganismen, Pflanzen und tierischen Extrakten. Große Bioreaktoren ermöglichen heute die Herstellung der benötigten Enzyme in großem Maßstab, z.B. in Bakterien wie Escherichia coli oder in Hefen wie Saccharomyces cerevisiae. Außerdem kann man Enzyme gezielt verändern, um sie an industrielle Bedürfnisse anzupassen. Das geschieht durch rationales Design, basierend auf der genauen Kenntnis ihrer Struktur, oder durch gerichtete Evolution. Frances H. Arnold erhielt 2018 den Nobelpreis für Chemie in diesem Gebiet. Diese Ansätze machen biokatalytische Prozesse heute effizienter, umweltfreundlicher und präziser.
In der Lebensmittelindustrie, der organischen Chemie und der Oleochemie (Fettchemie) kommt die Biokatalyse z.B. zur Herstellung von Duft- und Aromastoffen oder in Waschmitteln zum Einsatz. Hier entfernen bestimmte Enzyme Schmutz bei niedrigen Temperaturen und tragen so zum Umweltschutz bei. Weitere Beispiele sind die Herstellung von Vitamin C und Aspartam, die Umwandlung von Stärke in Glukosesirup und die Herstellung von Antibiotika durch Spaltung von Penicillin G. Diese Prozesse profitieren von der hohen Präzision und den milden Bedingungen, die Enzyme bei der Biokatalyse nutzen.
In den letzten fünf Jahren hat das Wissen über Proteine und ihre Strukturen die Entdeckung und Anpassung neuer Enzyme stark beschleunigt. Moderne Technologien wie maschinelles Lernen und fortschrittliche Screening-Methoden machen die Anpassung von Enzymen für bestimmte Anwendungen effizienter. Zukünftige Anwendungen umfassen den Abbau von Plastikmüll und die Bereitstellung von Bausteinen für neue Kunststoffe durch Enzyme. Fortschritte in der Datenanalyse, DNA-Technologie und die Entwicklung neuer Enzymfamilien vergrößern das Werkzeugset der Biokatalyse und leisten wichtige Beiträge zur Lösung globaler Probleme.
Biokatalyse macht die Chemie umweltfreundlicher und effizienter. Enzyme arbeiten bei niedrigen Temperaturen und normalem Druck. Moderne Technologien ermöglichen die Anpassung und Massenproduktion von Enzymen.
Weitere Informationen:
- Buller R. et al. (2023), Science, 382, Issue 6673