Die biologische Wirkung von Graphen ist abhängig von den physikalisch-chemischen Eigenschaften. Eine Beschichtung entscheidet über dessen biologische Wirkung maßgeblich mit.
Allgemeine Gefährdung
Zur Art und Höhe der Exposition von Mensch und Umwelt durch Graphen und Graphen-verwandte Materialien liegen zurzeit keine Daten vor. Ob und ggf. wie giftig Graphen und Graphen-ähnliche Verbindungen sind, muss noch geklärt werden.
Oft wird der Begriff Graphen in der wissenschaftlichen Literatur für eine Vielzahl von Graphen-ähnlichen Substanzen verwendet, die sich jedoch in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften und ihrer biologischen Aktivität von Graphen unterscheiden. Daraus resultiert eine gewisse Uneinigkeit in Bezug auf die biologischen Effekte von Graphen mit zum Teil widersprüchlichen Aussagen. Graphen-verwandte Materialien sind in vielen verschiedenen Ausdehnungen, Formen und chemischen Modifikationen verfügbar. Zum Beispiel kann die Anzahl der Schichten, aus denen ein Graphen-verwandtes Material besteht, von einer Einzelschicht (Graphen) bis zu einem Vielschicht-System wie in Graphit reichen. Zudem können Graphen-verwandte Materialien auf sehr unterschiedliche Weise hergestellt werden. Die Herstellungsmethode und die verwendeten Ausgangsstoffe, sowie mögliche chemische und biologische Verunreinigungen, können ebenso einen starken Einfluss auf die biologische Aktivität haben. In wie weit diese einzelnen Parameter das toxikologische Profil beeinflussen, ist zurzeit Gegenstand der Untersuchungen.
Als Basis zur Ermittlung eines eindeutigen toxikologischen Profils von Graphen und Graphen-verwandten Materialien ist die Entwicklung einer einheitlichen Nomenklatur und eines Klassifizierungssystems zwingend notwendig. Ein Vorschlag für die Nomenklatur dieser Materialien wurde kürzlich präsentiert . Basierend auf diesem Entwurf wurden Konzepte zur Klassifizierung der Graphen-verwandten Materialien anhand der physikalisch-chemischen Eigenschaften der Materialien für biomedizinische Anwendungen und die Nanosicherheitsforschung entwickelt.
Neben Graphen und den geläufigeren Graphen-verwandten Materialien wie Graphit, Graphenoxid, und Graphitoxid wurde mittlerweile eine Vielzahl weiterer Graphen-Derivate und andere 2D-Materialien hergestellt , deren biologische Aktivität bisher noch unbekannt ist.
Untersuchungen am lebenden Organismus – in vivo
Eine vergleichende Inhalationsstudie an Ratten hat gezeigt, dass die Toxizität von Kohlenstoff basierten Materialien auf einem Zusammenspiel von vielen Parametern beruht. Carbon Black und Graphit-Nanoplättchen riefen nach Inhalation keine negativen Effekte hervor. Im Gegensatz dazu zeigten die getesteten Kohlenstoff-Nanoröhrchen die stärksten Effekte auf den Atemtrakt, gefolgt von Graphen mit geringerer Toxizität .
Das Einatmen von Graphenplättchen führte bei Mäusen zu Entzündungen in der Lunge. Diese Entzündungen gehen eine Woche nach der Exposition leicht zurück. Selbstreinigungsmechanismen der Lunge können die kleineren Fragmente entfernen .
Graphenoxide dagegen verursachten akute Lungenschäden in Mäusen nach Instillation . Die Autoren empfehlen, dass für biomedizinische Anwendungen eine nanoskalige Dispersion von Graphen aufrechterhalten und eine Verunreinigung mit Graphenoxiden minimiert werden sollte.
In der Tumortherapie eingesetzt könnten fluoreszenzmarkierte Graphenlagen in Kombination mit einer Licht-Wärme-Therapie dazu führen, dass sich die Tumore zurückbilden, ohne toxische Nebeneffekte zu verursachen .
Radioaktiv markierte Graphenlagen ließen sich nach Injektion in Mäusen in Leber und Milz nachweisen, erzeugten aber keine Organschäden und keine toxischen Nebeneffekte. Als Nebeneffekt wurde die Braunfärbung der Leber und der Nieren nachgewiesen, die aber mit der Zeit wieder verschwand .
Untersuchung außerhalb des Körpers – in vitro
Verschiedene Autoren haben speziell darauf hingewiesen, dass kohlenstoffhaltige Partikel in Zellkultur-Testsystemen Probleme bei der Auswertung von Experimenten bereiten können . Dies trifft auch für Graphen-verwandte Materialien zu . Aufgrund von Wechselwirkungen der Partikel mit z.B. Farbstoffen des Testverfahrens kommt es zu falsch-positiven oder falsch-negativen und damit ungültigen Ergebnissen, so dass keine Aussagen zur Toxizität von kohlenstoffhaltigen Partikeln aufgrund dieser Testsysteme gemacht werden können. Deshalb empfehlen Autoren, eine zweite Methode zur Überprüfung der Ergebnisse einzusetzen .
Ebenso wie Kohlenstoff-Nanoröhrchen, werden Graphen-verwandte Materialien als mögliche Wirkstoffträger z.B. zur Behandlung von Tumoren untersucht. Eine wichtige Voraussetzung für eine solche Anwendung ist die Verträglichkeit dieser Materialien für das menschliche Blut. Liao und Kollegen konnten eine dosisabhängige Auflösung von roten Blutkörperchen feststellen. Eine Beschichtung von Graphenoxid mit Chitosan verhinderte dagegen die Auflösung von roten Blutkörperchen .
Zudem konnten die Forscher bei menschlichen Hautzellen dosisabhängig Vitalitätsverluste und die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) feststellen. Dabei spielte die Form eine bedeutende Rolle: aggregierte Graphenlagen waren für die Zellen schädlicher als reversibel aggregiertes Graphenoxid.
Eine weitere aktuelle Studie an Graphenoxid-behandelten Lungenzellen ergab keine strukturellen Veränderungen und keine Probleme beim Anwachsen der Zellen. Ebenfalls wurden keine signifikanten Vitalitätsverluste, keine Membranschäden, keine Apoptose und auch keine Nekrose beobachtet. Die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) zeigte keine Veränderungen der Zellstrukturen. Es konnte kein Graphenoxid innerhalb der Zellen nachgewiesen werden, allerdings verursachte die Graphenoxid-Exposition auch schon bei niedrigen Dosen oxidativen Stress. In einer weiteren Studie führten sogenannte Graphen-Nanoschalen ebenfalls zu keinen morphologischen Änderungen der Zellen. Es wurde keine giftige Wirkung festgestellt, jedoch wurde auch hier von den Materialien oxidativer Stress hervorgerufen. Zudem konnte eine Aufnahme der Graphen-Nanoschalen durch die Lungenzellen mittels TEM beobachtet werden .
In einer weiteren Studie verursachten Aggregate von Graphennanoplättchen dosisabhängige Membranschäden an Fresszellen, lösten oxidativen Stress aus und setzten Entzündungsmarker frei .
Duch und Kollegen konnten sowohl bei dispergierten, als auch bei aggregierten Graphen-Materialien keine Apoptose von Fresszellen feststellen. Im Gegensatz dazu beobachteten sie Apoptose bei gleichen Zellen, welche großen Graphenoxidschichten ausgesetzt wurden .
Je nach Zelltyp, je nach Art des Graphen-verwandten Materials und auch je nach Art der Beschichtung kann dies Zellstress und Zellschäden bis hin zur Apoptose auslösen (vor allem durch fettliebende Beschichtungen) oder aber selbst bei höheren Konzentrationen keine negativen Effekte auf die Zellen zeigen (bei wasserliebenden Beschichtungen).