Nur sehr hohe, unrealistische Dosen von Siliziumdioxid Nanopartikeln verursachen Entzündungsreaktionen und toxische Effekte bei Laborstudien mit Nagetieren. Niedrige Dosen an SiO2 Nanopartikeln lösen keine Toxizität in den Versuchstieren aus.
Verteilung und Wirkung im Körper
Nanopartikel aus Siliziumdioxid (SiO2) können entweder amorph oder kristallin vorliegen und beide Formen haben unterschiedliche Wirkungen auf Zellen . Konsum-Produkte enthalten die amorphe Form. Synthetisierte Partikel sind ebenfalls meist amorph, wohingegen nanoskaliges kristallines SiO2 durch Zermahlen von grobem Quarz entsteht. Generell werden nach aktuellem Wissensstand (Jahr 2020) Nanopartikel aus amorphem Siliziumdioxid eher als unbedenklich eingestuft . Kristalline SiO2 Nanopartikel lösen jedoch deutliche Effekte aus, u.a. schädigen sie die DNA der Zellen .
Die Untersuchung der Verteilung von Siliziumdioxid (nano- oder mikroskalig) im Körper ist nach „normaler“ Exposition über die Lunge (Einatmen) , den Magen-Darm-Trakt (Nahrungsaufnahme) oder über die Haut nicht möglich, da über diese Aufnahmewege so wenig von diesem Material in den Körper gelangt, dass es nicht nachweisbar ist. Daher werden alle Studien zur Verteilung des Siliziumdioxid im Körper mittels Injektion durchgeführt. Dazu wird die Gesamtdosis entweder direkt in die Blutbahn (intravenös = i.v.) oder in die Bauchhöhle (intraperitoneal = i.p.) injiziert.
Direkte Gabe in den Organismus über Injektion in die Blutbahn
Eine Verteilung von Siliziumdioxid Nanopartikeln lässt sich verlässlich nur untersuchen, wenn die gesamte Dosis direkt in den Körper injiziert wird. Dies wurde in allen in diesem Abschnitt aufgeführten Arbeiten über eine Injektion in das Blutgefäßsystem (i.v.) durchgeführt. Dabei muss streng darauf geachtet werden, dass die Menge der injizierten Partikel nicht zu groß ist, da dies zur Bildung von Blutgerinnseln (Thrombose) und damit direkt zum Gefäßverschluss führen kann mit anschließendem Infarkt und dem Tod der Tiere. So wurde dies bei der Injektion großer Mengen an Siliziumdioxid in Ratten beobachtet, als die akute Toxizität untersucht werden sollte . Nach wiederholter Gabe von kleineren Mengen an SiO2 jedoch konnten keine negativen Effekte wie z.B. DNA-Schäden beobachtet werden. Bei der Untersuchung der akuten Toxizität kommt es in der Literatur zu widersprüchlichen Ergebnissen. Während in einer Studie die LD50 für SiO2 Nanopartikel bei 262 mg/kg in Mäusen lag , starb in einer neueren Untersuchung mit bis zu 300 mg/kg keine einzige Maus .
Verteilung im Organismus
Eine Reihe von Untersuchungen haben sich der Frage gewidmet, ob Siliziumdioxid Nanopartikel innere Organe im Organismus erreichen, nachdem diese in den Körper der Tiere injiziert wurden. Zu diesen inneren Organen zählen Herz, Leber, Niere, Milz, Lunge oder Gehirn. Dazu wurden Mäusen oder Ratten zwischen wenigen bis zu mehreren Hundert Milligramm SiO2 pro Kilogramm Körpergewicht injiziert, teilweise auch mehrmals hintereinander . Für die Gesamtheit der Daten aus diesen Studien treffen folgende Kernaussagen zu:
- Die injizierten Nanopartikel sammeln sich im Wesentlichen in der Leber an, gefolgt von Milz, Lunge und Niere. Damit verhalten sich die Nanopartikel wie jeder andere Fremdstoff auch.
- Weitere Organe wie Herz und Gehirn sind nicht belastet, was auch bedeutet, dass die Blut-Hirn-Schranke nicht überschritten wird.
- Wird das Siliziumdioxid in hohen Dosen (> 100 mg/kg) oder wiederholt verabreicht, können in der Leber entzündliche Prozesse und eine leichte Fibrose beobachtet werden. Diese klingt aber nach der Behandlung rasch wieder ab.
- Es wurden auch bei hohen Dosen keine direkten DNA-Schäden in den Tieren festgestellt.
- Konzentrationen unter 50 mg/kg haben bei den Tieren keine Wirkung gezeigt, weder in den wichtigsten Organen, wie Leber und Milz, noch in den Gefäßen oder anderen Zellen.
Plazentaschranke und Föten
Eine Studie befasste sich mit der Verteilung von Siliziumdioxid Nanopartikeln in tragenden Mäusen. In diesen Experimenten konnte beobachtet werden, dass die Partikel (zwischen 25 und 115 nm groß) nach Injektion in die tragenden Weibchen die Plazentaschranke überschreiten können, aber weder in den Mäuseweibchen noch in den Föten klinische Symptome hervorrufen .
Inhalative Aufnahme und Dosisabhängigkeit
In Studien, in denen Laborratten verschiedenen Alters amorphe Siliziumdioxid Partikel einatmeten, konnte gezeigt werden, dass bei identischer Behandlung alte Ratten sensitiver reagieren als junge bzw. erwachsene Tiere. Dabei konnten Auswirkungen auf die Lunge und das Herz beobachtet werden .
In einer weiteren vergleichenden Studie inhalierten zwei Gruppen von Ratten drei Monate lang kristalline mikrometergroße Quarzpartikel oder amorphe Siliziumdioxid Nanopartikel. Analysiert wurden hier die Entzündungsreaktionen in der Lunge der Ratten sowie weitere Effekte (z.B. Genotoxizität). Die kristalline Form (Quarz) löste durch diese Behandlung eine erhebliche Entzündung aus, die bis zum Versuchsende nicht abgeklungen ist. Das amorphe nanoskalige SiO2 dagegen löste in hoher Dosierung zwar eine kurzzeitige Entzündung aus, doch diese klang rasch ab und es traten keine weiteren negativen Effekte auf . Diese Ergebnisse werden durch weitere Studien bestätigt, die keine statistisch signifikanten Effekte von (mikro- oder nanoskaligem) amorphem SiO2 im Tierversuch beobachten konnten .
Wie auch bei den in vitro Studien spielt die Dosierung in vivo eine entscheidende Rolle. Es kommt bei einer Behandlung mit sehr hohen Dosen zu einem Überladungseffekt der Lunge («Overload-Effekt» ), so dass z.B. Fibrosen entstehen oder andere Schädigungen wie Entzündungsprozesse oder oxidativer Stress ausgelöst werden .
Für Siliziumdioxid Partikel gibt es eine klare Unterscheidung zwischen kristallinem SiO2 (Quarz), das eine bekannte und gut untersuchte Lungenerkrankung auslösen kann, und dem amorphem SiO2, das in vielen Produkten eingesetzt wird und nur eine sehr geringe bis gar keine Toxizität aufweist.
Aufnahme und Wirkung in Zellen
Siliziumdioxid ist seit vielen Jahrzehnten Gegenstand toxikologischer Untersuchungen im Labor. Je nach Zelltyp und Kristallstruktur des Siliziumdioxids werden unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Mittels Elektronenmikroskopie kann die Aufnahme und Lokalisation von Siliziumdioxid Nanopartikeln in Zellen gezeigt werden.
Von mikrometergroßen kristallinen Siliziumdioxid Partikeln (Quarz) ist bekannt, dass sie in das Innere von Zellen gelangen. Sie werden im Zellinneren von Membranen umschlossen und verbleiben dort .
Wie für viele andere Nanomaterialien gilt auch für amorphe Siliziumdioxid Nanopartikel, dass sie von Zellen aufgenommen werden können. Sie reichern sich in den Zellen in Vesikeln an , die u.a. der Verdauung von Molekülen in der Zelle dienen. SiO2 Nanopartikel finden sich nicht im Zellkern und rufen keine Strukturänderungen in den Zellen hervor.
Ein groß angelegter Vergleich mit Zelltypen unterschiedlichster Zielorgane (u.a. Atemwege, Immunsystem, Verdauungstrakt) konnte aufzeigen, dass die Wirkung von amorphen Siliziumdioxid Nanopartikeln durchaus auch zellspezifisch ausfallen kann. Während Stammzellen und einige Immunzellen bereits bei niedrigeren Konzentrationen eine Reaktion zeigten, war der Großteil der untersuchten Zellkulturen der Atemwege oder anderer Organe sehr unempfindlich und reagierte nur bei sehr hohen SiO2 Nanopartikel Konzentrationen oder gar nicht . Diese Ergebnisse werden durch weitere Studien bestätigt, die alle eine Aufnahme der SiO2 Nanopartikel beobachtet haben, aber die biologischen Antworten der behandelten Zellen ausschließlich bei hohen oder sehr hohen Konzentrationen auftraten .
In realistischen, also für den Menschen relevanten Konzentrationsbereichen, verursachen Siliziumdioxid Nanopartikel keine signifikanten Effekte und sind nicht toxisch .
Kokultur-Systeme reagieren häufig empfindlicher auf Einflüsse von außen, da sie eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Zelltypen berücksichtigen, was in Kulturen mit nur einem Zelltyp nicht der Fall ist. So reagieren solche Kokultur-Systeme auch auf SiO2 verstärkt, wenn man die Reaktionen mit nur einem Zelltyp vergleicht .
Die geringe bzw. nicht vorhandene Toxizität des Siliziumdioxid ist auch für medizinische Anwendungen interessant. So wird versucht, mit porösen SiO2-Partikeln Gene z.B. in Lungen von Mäusen einzuschleusen oder sie werden mit Medikamenten «beladen» und dienen so als Transportmittel, um Krankheiten direkt am Ort des Geschehens gezielt zu bekämpfen .
Die Leber ist das wichtigste Entgiftungsorgan der Säugetiere und alle Fremdstoffe werden dort gesammelt und verarbeitet. Dies trifft auch für injizierte SiO2-Nanopartikel zu und so ist es nicht verwunderlich, dass diese sich in der Leber anreichern und dort zu leichten Entzündungen und fibrotischen Effekten bei hohen Belastungen führen. Innere Gewebeschranken werden entweder gar nicht (Blut-Hirn-Schranke) oder nur in seltenen Ausnahmen überschritten (Plazentaschranke), wie die Versuche mit tragenden Mäusen zeigen. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass die Plazenten der Mäuse völlig anders aufgebaut und wesentlich durchlässiger sind, als die Plazenta beim Menschen.
Siliziumdioxid Nanopartikel werden kaum über die „normalen“ Aufnahmewege (Lunge und Magen-Darm-Trakt) und gar nicht über die Haut in den Körper aufgenommen. Auch wenn sie direkt in den Körper injiziert werden, haben sie nur in sehr hohen Konzentrationen eine Wirkung, die meist aber auch sehr gering ausfällt (entzündliche Prozesse, DNA-Schäden etc.) und reversibel sind. Somit können amorphe Siliziumdioxid Nanopartikel als nicht toxisch eingestuft werden.