Umwandlung von Nanomaterialien in der Umwelt

Innovative Materialien oder Nanomaterialien werden nach ihrer Freisetzung nicht nur in der Luft, im Boden oder im Wasser verteilt (siehe Grundlagen Wie werden innovative Materialien (z. B. Nanomaterialien) nach ihrer Freisetzung transportiert?), sondern können sich auch verändern, d.h. sie unterliegen Umwandlungsprozessen (sog. Transformation). Das sind Prozesse, bei denen die Materialien in Wechselwirkung mit der Umwelt treten und verändert werden. Transformation kann auf die Partikeloberfläche beschränkt sein oder die Partikel insgesamt betreffen. Diese Prozesse können das Verhalten und die Verteilung der innovativen Materialien in der Umwelt beeinflussen, wobei in chemische, physikalische oder biologische Prozesse unterschieden werden kann. Bei chemischen Reaktionen gehen die innovativen Materialien oder Nanomaterialien eine Bindung mit anderen Stoffen aus der Umwelt ein (z.B. Sauerstoff aus der Luft, ´Rosten´). Bleiben die innovativen Materialien in ihrer chemischen Struktur erhalten und lagern sich beispielsweise an andere Stoffe an (Adsorption) spricht man von physikalischer Transformation. Alle Veränderungen von Materialien, die durch biologischen Systemen verursacht werden (z.B. durch Bakterien) werden als biologische Transformation bezeichnet.

Ob und wie solche Prozesse ablaufen ist vom Umweltkompartiment (Luft, Wasser, Boden) und den dort herrschenden Bedingungen abhängig. In der Luft tritt überwiegend die physikalische Transformation auf, d.h. die Anlagerung von verschiedenen Partikeln (Heteroaggregation) bzw. die Zusammenlagerung von gleichen Teilchen (Homoaggregation) und die Anlagerung an Oberflächen. Im Boden finden aufgrund von anwesenden Bakterien und Pilzen vor allem chemische und biologische Umwandlungen statt. Alle drei Prozesse (physikalische, chemische und biologische Transformation) können im Wasser beobachtet werden. Die ablaufenden Transformationsprozesse sind aber nicht nur vom Umweltkompartiment abhängig, sondern auch vom jeweiligen innovativen Material. So neigen einige Materialien eher zur Auflösung, d.h. sie gehen eine Verbindung mit einem anderen Stoff ein und werden dann meist in Wasser gelöst (z.B. Silber, Kupfer). Von anderen Materialien ist bekannt, dass sie sich rasch an andere Teilchen anlagern und dann am Boden absetzen (sedimentieren; z.B. Eisen- oder Eisenoxidpartikel).

Transformationsprozesse lassen sich nur selten direkt beobachten. Aufgrund des schwierigen Nachweises sind Modellierungen notwendig, um das Transformationsverhalten in Abhängigkeit von unterschiedlichen Eigenschaften der innovativen Materialien (z.B. Reaktivität) simulieren zu können. Diese Modelle dienen dem Verständnis über die Verbreitung und Wechselwirkung von innovativen Materialien in und mit der Umwelt und sind somit auch eine Grundlage für eine toxikologische Risikoeinschätzung.

 

Übersicht der Transformationsprozesse, denen innovativen Materialien unterliegen © DaNa
Übersicht der Transformationsprozesse, denen innovativen Materialien unterliegen © DaNa

 

Chemische Transformationsprozesse

Bei chemischen Transformationsprozessen werden die Bestandteile von innovativen Materialien aufgrund von chemischen Reaktionen in andere Formen umgewandelt (z.B. Silber in Silbersulfid). Chemische Transformationsprozesse hängen von unterschiedlichen Faktoren ab. Ein entscheidender Faktor ist Licht, welches Redoxreaktionen (also die parallele Oxidation und Reduktion von verschiedenen Stoffen) auslösen kann. Durch diese sogenannte Photokatalyse werden Radikale (ungeladene, reaktive Teilchen) gebildet. Ein weiterer Faktor für chemische Transformationsprozesse ist das Vorhandensein von Sauerstoff. Ein Beispiel dafür ist das Rosten von Metallen. Ebenso können kohlenstoffbasierte, innovative Materialien an der Oberfläche oxidiert werden.
Aufgrund der guten Leitfähigkeit von Ionen und Elektronen finden viele Redoxreaktionen in wässriger Umgebung statt (z.B. Rosten von Eisennanopartikeln). Ein weiterer entscheidender Faktor im Wasser ist die Löslichkeit, z.B. bei Nanosilber-Partikeln. Diese geben langsam Silberionen in die Umgebung ab, lösen sich also auf. Je nach Umgebung und weiterer im Wasser enthaltener Reaktionspartner (hier z.B. Schwefel-Ionen) können wieder Nanopartikel entstehen, da sich das schwerlösliche Silbersulfid bildet und ausfällt, also einen festen Niederschlag bildet (Fällung). So werden durch chemische Transformation aus Silberpartikeln die Silbersulfidpartikel.

Physikalische Transformationsprozesse

Physikalische Transformationsprozesse umfassen hauptsächlich Anlagerungs- und Abscheidungsprozesse. Wichtige Prozesse sind dabei Homo- und Heteroagglomeration, also die Zusammenlagerung von Nanoteilchen und anderen Partikeln zu größeren Komplexen. Eine Folge davon ist die Sedimentation, bei der sich innovative Materialien in wässrigen Umgebungen am Boden absetzen. Gleiches gilt für das Anlagern an verschiedene Strukturen, z.B. Steine oder Organismen, sowie das wieder Ablösen der innovativen Materialien von Oberflächen (Adsorption/ Desorption).

Biologische Transformationsprozesse

Einen wichtigen Einfluss haben auch tierische und pflanzliche Lebewesen. Mikroorganismen können nicht nur organische Substanzen zersetzen, was auch als Biodegradation bezeichnet wird. So können z.B. Pilze und Bakterien kohlenstoffhaltige, innovative Materialien abbauen oder metallische Partikel auflösen. Auch die Biomodifizierung, bei der es zum Einbau von Nanoteilchen in komplexere Strukturen (z.B. Einbau von Eisenoxidnanopartikeln in Pflanzenblättern) kommt, konnte in Pflanzen und Tieren nachgewiesen werden.

Als Transformationsprozesse werden sehr vielfältige und komplexe Vorgänge bezeichnet, die vereinfacht in chemische, biologische und physikalische Prozesse unterteilt werden können. Bei diesen Prozessen können sich die Eigenschaften der innovativen Materialien und damit auch die Verteilung in der Umwelt ändern. Für eine fundierte Risikobewertung von innovativen Materialien ist eine genaue Betrachtung aller drei Transformationsprozesse notwendig.

 

Literatur:

Abbas, Q et al. (2020). Transformation pathways and fate of engineered nanoparticles (ENPs) in distinct interactive environmental compartments: A review. Environ Int, 138 105646.

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