Die Voraussetzung für eine biologische Wirkung von Stoffen/Substanzen ist ihre Fähigkeit, den Körper zu erreichen, beziehungsweise im Körper in Organe und Zellen zu gelangen. Auch bei der Beurteilung von z. B. Nanomaterialien und Nanopartikeln kommt dem Nachweis ihrer Aufnahme in dem betroffenen Organismus eine zentrale Bedeutung zu. Dabei gelten für Materialien die gleichen Prinzipien wie für alle anderen Stoffe: eine mögliche Aufnahme hängt zunächst davon ab, in welcher Art und Weise sie in der Umgebung vorliegen: als freie Partikel, gebunden in eine andere Substanz, z. B. als Verstärkung in Kunststoffen; in einer Flüssigkeit verteilt, z. B. als Bestandteile von Schmierstoffen oder Ölen.
Grundsätzlich können Substanzen und somit auch freie Nanopartikel aus der Umgebung auf drei Wegen in den menschlichen Körper gelangen:
- über die Luft während des Einatmens (inhalativ)
- über den Verdauungstrakt (oral)
- über die Haut (dermal).
Wenn Nanopartikel in den Blutkreislauf aufgenommen werden, haben sie die ‚klassischen’ Barrieren schon überwunden. Neue, bisher nicht beachtete Barrieren werden unter diesen Umständen wichtiger und zu diesen gehört auch die Plazenta.
Für die Aufnahme von Nanopartikeln durch Umweltorganismen gelten prinzipiell die gleichen Voraussetzungen wie für den Menschen.
Inhalativer Aufnahmeweg
Nanopartikel sind sehr leicht, setzen sich daher schwer ab und verbleiben leichter in der Luft. Die Lunge ist für solche freien Nanopartikel daher nach Ansicht vieler Experten das Organ des wichtigsten Aufnahmeweges. Grundsätzlich gilt, dass feinste Teilchen bis in die tiefsten Regionen der Lunge und dort in die Lungenbläschen (Alveolen) gelangen können. Als Faustregel gilt, dass alle Partikel kleiner als 3 µm im Durchmesser, d.h. 20 x geringer als der Durchmesser eines menschlichen Haares, zu den Feinstteilchen gezählt werden. Da in diesem Teil der Lunge der lebenswichtige Gasaustausch stattfindet, kann die Ablagerung von Partikeln aus der Luft an dieser Stelle in Abhängigkeit von der aufgenommenen Dosis problematisch sein.
Lesen Sie mehr dazu in der Rubrik Körperbarrieren:“Nanopartikel und die Lunge„
Oraler Aufnahmeweg
Über die Nahrung können Partikel aufgenommen werden, die dann üblicherweise über den Stuhl wieder nach außen abgegeben werden. Alles, was vom Körper nicht benötigt wird, verbleibt im Darm und gelangt nicht weiter in den Körper.
Neben der Haut und der Lunge ist die Darmschleimhaut allerdings eine der drei großen Körperbarrieren. Grundsätzlich können Nanopartikel synthetischer oder natürlicher Herkunft die Darmbarriere überwinden. Die Transportrate bzw. Bioverfügbarkeit ist allerdings als sehr gering einzustufen (selten mehr als 1% der Dosis). Ist die Darmbarriere z.B. infolge von entzündlichen Erkrankungen in ihrer Funktion beeinträchtigt, können die Transportraten u. U. deutlich höher liegen.
Lesen Sie mehr dazu in der Rubrik Köperbarrieren: „Nanopartikel und der Magen-Darm-Trakt“
Dermaler Aufnahmeweg
Da auch über die Haut Stoffe aufgenommen werden können (z. B. über Medikamentenpflaster), kommt sie ebenfalls als mögliche Eintrittspforte für Nanopartikel in Frage.
Vor mehr als einem Jahrzehnt hat sich das europäische Forschungsprojekt NANODERM mit dieser Thematik intensiv auseinandergesetzt und die Metalloxide Titandioxid und Zinkoxid in Nanoform untersucht, die als anorganische UV-Filter in vielen Sonnenschutzcremes enthalten sind. Die beiden Oxide wie auch die als Nanopartikel vorliegenden organischen UV-Filter MBBT und TBPT sind in der Sonnencreme als Schutz vor krebserzeugendem UV-Licht enthalten. Das Projekt NANODERM aber auch viele weitere Projekte haben ergeben, dass die Haut, trotz der Kleinheit der Partikel bzw. Agglomerate, eine sehr gute Barrierefunktion darstellt und keine Partikel/Agglomerate in die tieferen Schichten der Haut vordringen können. Da die Haut von bis zu 12 Schichten toter Hornzellen bedeckt ist, kommen keine lebenden Zellen mit diesen Partikeln in Kontakt.
Lesen Sie mehr dazu in der Rubrik Körperbarrieren: “Nanopartikel und die Haut“
Aufnahme über die Plazenta
Die Plazenta ist ein komplex organisiertes Gewebe, das nicht nur den Gas- und Nährstoffaustausch zwischen Mutter und Kind gewährleistet, sondern auch die beiden Blutkreisläufe voneinander getrennt halten muss.
In Tierversuchen mit Ratten oder Mäusen konnte gezeigt werden, dass Nanopartikel durch die Plazenta zum Fötus gelangen können. Die Ergebnisse können aber nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden, da die Anatomie der Plazenta im Menschen grundlegend verschieden ist im Vergleich zu den gängigen Tiermodellen wie Maus oder Ratte. Mittels eines humanen ex vivo Plazentaperfusionsmodells konnte der Übertritt von Nanopartikeln auch im Menschen gezeigt werden. Der Mechanismus und welche physikalisch-chemischen Eigenschaften der Nanopartikel den Transfer beeinflussen ist aber noch weitgehend unbekannt und Gegenstand der Forschung.
Lesen Sie mehr dazu in der Rubrik Körperbarrieren: „Nanopartikel an der Plazenta-Schranke„
Aufnahme durch Umweltorganismen
Prinzipiell gelten für die Aufnahme von innovativen Materialien sowie Nanopartikeln durch Umweltorganismen die gleichen Voraussetzungen wie für den Menschen, jedoch sind die Möglichkeiten aufgrund der Vielfalt an Lebewesen breiter. So sind z. B. als zusätzlicher Aufnahmeweg die Atmungsorgane vieler Wasserlebewesen, die Kiemen, zu berücksichtigen. Partikel können je nach bevorzugtem Lebensraum über das Wasser, den Boden oder die Luft aufgenommen werden. Entscheidend ist, dass die Größe des Organismus auch bestimmt, welcher Größenbereich von Partikeln aufgenommen werden kann. So wird ein Wasserfloh 5 mm große Partikel schlicht nicht aufnehmen, während das für einen Hecht kein Problem darstellt.
Für Kürbispflanzen konnte im Laborexperiment nachgewiesen werden, das diese Nanopartikel aus dem Wasser über die Wurzeln aufnehmen können. Wurden kleine Krebse in Wasser gehalten, welches Kohlenstoff-Nanoröhrchen enthielt, so wurden nach einiger Zeit Bündel dieser Nanoröhren im Verdauungstrakt der Tiere sichtbar. Es gibt Hinweise, das Nanopartikel auch ohne eine Aufnahme in die Zelle eine schädliche Wirkung haben können, so z.B. auf Bakterien.